Verbesserte Osseointegration in der Wirbelsäulenchirurgie mit intervertebralen Fusionsimplantaten aus strukturiertem Titan
Die moderne Wirbelsäulenchirurgie stellt hohe Anforderungen an das Design, die Mechanik und die Biokompatibilität von Implantaten. Gerade die effektive Osseointegration der Implantate ist dabei von zentraler Bedeutung. Implantate aus strukturiertem Titan erfüllen nicht nur die zentralen Anforderungen an Primärstabilität, Kompressionsstabilität und Elastizität, sondern bieten auch alle grundlegenden Voraussetzungen für eine erfolgreiche Osseointegration.
Auf der Basis aktueller Erkenntnisse zur Optimierung der Osseointegration wurde der Werkstoff Titan mit einer offenporigen Struktur („strukturiertes Titan“) für den Einsatz in der Wirbelsäulenchirurgie weiterentwickelt. In dieser Dokumentation beschreiben wir die morphologischen, mechanischen und biologischen Eigenschaften von intervertebralen Fusionsimplantaten aus strukturiertem Titan.
Neben den biomechanischen Eigenschaften und der Biokompatibilität der Implantate steht besonders die erfolgreiche Osseointegration im Fokus der modernen Wirbelsäulenchirurgie. Von Beginn an wurde bei den zur Behandlung verschiedener Wirbelsäulenerkrankungen angewandten Techniken stets die knöcherne Fusion benachbarter Wirbelkörper angestrebt. Zunächst erforderten diese Techniken eine umfangreiche Muskeldissektion, ein ausgedehntes autologes Knochentransplantat und längere Bettruhe. Um die Erfolgsrate der knöchernen Fusion bei verkürzter Heilungsdauer zu steigern, wurde die Wirbelsäuleninstrumentation eingeführt. Diese erlaubt dem Chirurgen zusätzlich, die Stellung der Wirbelsäule zu korrigieren. Weiterhin wurde ein Konzept zur anterioren Stützung entwickelt, um die Ergebnisse der posterioren Instrumentation zu verbessern: Hierbei wurde über einen anterioren oder posterioren Zugang Knochenspan in den Bandscheibenraum eingebracht, was in einer insgesamt verbesserten Vaskularisierung, einer belastbaren Fusion und einem besseren Erhalt der Lordose resultierte. In Abhängigkeit von Indikation und Knochenqualität konnte durch die alleinige Verwendung von Knochentransplantaten jedoch oftmals keine ausreichende Stabilität erreicht werden. Außerdem führte die Entnahme autologen Knochenmaterials, z.B. aus dem Beckenkamm, häufig zu postoperativen Schmerzen und Komplikationen. Aus diesen Gründen und um möglichen Knocheneinbrüchen und Pseudoarthrosen vorzubeugen, die bei knöchernen Fusionen auftreten können, wurden intervertebrale „Cages“ oder „Spacer“ entwickelt. Inzwischen haben sich intervertebrale Fusions-Cages zur interkorporellen Spondylodese als Standardversorgung erfolgreich etabliert.
Biomechanik, Biokompatibilität und Osseointegration
Von großer Bedeutung erwies sich hierbei die Osseointegration der Fusion-Cages. Verschiedene Werkstoffe wurden bezüglich ihrer Biokompatibilität getestet, mit akzeptablen bis guten Ergebnissen. Heute bestehen die meisten Cages aus Titan oder Polyetheretherketon (PEEK) und besitzen einen Hohlraum, der mit natürlichem (autologem oder allogenem) Knochen oder einem synthetischen Knochenersatzmaterial gefüllt werden kann. Es ist gut dokumentiert, dass der biokompatible Werkstoff Titan in einer offenporigen Struktur die Osseointegration fördert und somit einen vielversprechenden Ansatz zur weiteren Verbesserung der Behandlungsergebnisse darstellt. Dabei muss zwischen einer reinen mikro- oder makrorauen Oberfläche des Implantats an der Schnittstelle zum Knochen und einem strukturierten, Trabekel-ähnlichen Aufbau mit interkonnektierenden Poren unterschieden werden. Während die Mikro- oder Makrorauigkeit die Kontaktfläche vergrößert, kann eine offene, poröse Struktur zudem als Leitgerüst dienen und das Einsprießen von Blutgefäßen und Knochenzellen bis weit ins Innere des Implantates ermöglichen.
Titan, das biokompatible Material – eine kurze Materialkunde
Titan ist ein biologisch inertes bzw. biokompatibles Material und wird seit den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts in der Human- und Veterinärmedizin eingesetzt. Seitdem haben sich seine mechanischen und biokompatiblen Eigenschaften als optimal für diesen Zweck erwiesen. Dies liegt zum einen daran, dass Titan eine hohe Beständigkeit aufweist, vor allem im Kontakt mit dem umgebenden Körpermilieu und unter Belastung. In Kontakt mit Sauerstoff bildet Titan eine schützende Oxidschicht, die extrem adhäsiv, unlöslich und chemisch stabil ist, und ist dadurch im hohen Maß widerstandsfähig gegen Korrosion in einer septischen Umgebung. Gleichzeitig wird Titan so „unsichtbar“ für den Organismus und verursacht keine Abwehrreaktionen des Immunsystems. Zum anderen kann Titan aufgrund seiner hohen Dielektrizitätskonstante eine dauerhafte physische Verbindung (Osseointegration) zum umgebenden Knochengewebe bilden, da es das Heranwachsen von Knochenzellen an der Kontaktoberfläche zulässt. Im Vergleich zu anderen biokompatiblen Materialien, wie z.B. Edelstahl, ist Titan um ein vielfaches leichter und besitzt trotzdem eine höhere Zugfestigkeit und bietet somit das optimale Festigkeits-Masse-Verhältnis für den medizinischen Einsatz. Nicht zuletzt kann Titan maschinell gut verarbeitet werden und seine hervorragenden Eigenschaften lassen sich mit Hilfe von neuen Prozess- und Oberflächentechnologien weiter verbessern.
Die offene, poröse Struktur der ST-Implantate vergrößert die Ansiedlungsfläche für neue Knochenzellen und erhöht somit die Kontaktfläche zwischen Implantat und Endplatte des angrenzenden Wirbelkörpers. In Verbindung mit der Oberflächenrauigkeit des Implantats können daher eine hohe Primärstabilität und ein deutlich reduziertes Migrationsrisiko erreicht werden. Dies wird zusätzlich durch die offene und interkonnektierende Porosität begünstigt, die ein erfolgreiches Einsprießen von körpereigenem Zellmaterial und dessen Ausbreitung ermöglicht.
Die vollständig vernetzte dreidimensionale Porenstruktur der ST-Implantate ähnelt insgesamt der der natürlichen Spongiosa. Dies fördert eine schnelle Vaskularisierung und knöcherne Integration. Die Interkonnektivität der Poren sowie eine ausreichende Porengröße haben weiterhin zur Folge, dass der Knochen über die direkten äußeren Kontaktflächen hinaus die gesamte Implantatstruktur durchwächst. So entsteht eine strukturelle Verbindung zwischen Implantat und Knochen, die zu einer erhöhten Segmentstabilität beitragen kann.
Eine wichtige Voraussetzung bei der Herstellung poröser Titanimplantate ist die Einhaltung einer vordefinierten günstigen Porengeometrie und dreidimensionalen Struktur. Herstellungsverfahren wie das Pulversintern, die Verbrennungssynthese, Platzhaltermethoden oder auch das Elektronenstrahlschmelzen haben sich dabei als weniger geeignet erwiesen. Demgegenüber ermöglicht der als ‚Direct Metall-Lasersintern‘ (DMLS) bekannte Herstellungsprozess die Produktion von Implantaten mit komplexer Innen- und Außenstruktur.
In der klinischen Anwendung ergeben sich zwei weitere morphologische Anforderungen an Fusionsimplantate. Zum einen müssen Implantate während dem Einbringen möglichst gewebeschonend und atraumatisch positioniert werden können, bei den Implantaten der ST-Line wird dies durch die glatten Seitenflächen sichergestellt.
Zum anderen müssen Implantate durch herkömmliche bildgebende Verfahren zuverlässig dargestellt werden, um eine Fusion nachweisen zu können. Dies war zunächst ein unbestrittener Vorteil von PEEK-Implantaten, der auch maßgeblich zur Durchsetzung dieses Werkstoffs in der Wirbelsäulenchirurgie beigetragen hat. Implantate aus strukturiertem Titan erfüllen auch diese Anforderung, da sie aufgrund ihrer offenen Struktur und des geringeren Titangesamtvolumens ohne Artefakte abgebildet werden können.
Trotz der offenen Struktur und des geringeren Titangesamtvolumens verfügen ST-Implantate über eine hohe mechanische Festigkeit. So ist die dynamische Kompressionsstabilität des Implantats MOBIS® II ST 5,2-fach höher als die eines kommerziell verfügbaren und von der Food and Drug Administration (FDA) zugelassenen Vergleichs-Cage aus PEEK. Auch in klinischen Studien konnte gezeigt werden, dass poröse Titan-Implantate eine hohe Effektivität und Sicherheit aufweisen.
In Versuchen zeigte sich, dass ST-Implantate nicht nur eine hohe Primärstabilität vermitteln und über eine hohe mechanische Festigkeit verfügen, sondern auch ein Elastizitätsmodul aufweisen, das im Elastizitätsbereich des natürlichen Knochens liegt. Zudem kann bei herkömmlichen Implantaten aus dichtem Titan als Folge des sog. „stress shielding“-Effekts eine Resorption des umgebenden Knochengewebes und eine Hemmung der Fusion durch die Bildung von Bindegewebe beobachtet werden. Dieses Risiko wird bei ST-Implantaten aufgrund des niedrigeren Elastizitätsmodul minimiert.
Mithilfe des DMLS-Herstellungsverfahrens können vordefinierte Porengeometrien (Größe, Tiefe, Interkonnektivität) generiert werden, die den dreidimensionalen Aufbau und die mechanischen Eigenschaften des natürlichen Knochens nachbilden. Weiterhin konnte in in-vitro Versuchen gezeigt werden, dass die Stoffwechselaktivität von Osteoblasten, die auf Prüfkörpern aus strukturiertem Titan ausgebracht und kultiviert wurden, auch nach mehreren Tagen sehr hoch ist. Auch in-vivo Tierversuche zeigten, dass sich poröses Titanmaterial positiv auf die Regeneration von Knochendefekten und die Ansiedlung neuer Knochenzelle auswirkt. Es kann daher angenommen werden, dass strukturiertes Titan das Einsprießen von Knochenzellen in die Implantatstruktur fördert und somit die Grundlage für eine schnelle und solide Fusion darstellt.
Mikroskopisch-histologische Aufnahme des Querschnitts eines nach 12 Wochen aus dem Schafmodel explantierten Implantats aus strukturiertem Titan. Im Porenvolumen der Diamantgitterstruktur des Implantats zeigt sich die Bildung einer großflächigen spongiösen Knochenstruktur , die vom zentralen Bereich des Schnitts bis zum oberen Rand lokalisiert ist. (Histologische Befunde von aus dem Schaf explantierten, formalinfixierten Titangitter-Cages; Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover)
Aufgrund ihrer hohen biologischen Kompatibilität werden Titan und Titanlegierungen seit Langem in verschiedenen Bereichen der modernen Medizin eingesetzt. Die Weiterentwicklung eines offenporig-strukturierten Titans resultierte gerade bei endoprothetischen Implantaten in einer zusätzlich verbesserten Stabilität und Sicherheit, da offenporig-strukturiertes Titan nicht nur gute biologische Eigenschaften besitzt, sondern auch eine effektive biomechanische Integration begünstigt. In Studien erwies sich der dreidimensionale Implantataufbau als Nachbildung der natürlichen Knochenarchitektur als besonders günstig für eine erfolgreiche Osseointegration. Dabei waren die geeignete Geometrie und Interkonnektivität der Poren sowie die Oberflächenrauigkeit des Implantats von grundlegender Bedeutung: Denn die Wahl der optimalen Parameter ermöglicht eine ausreichende Sauerstoff- und Nährstoffversorgung des neu gebildeten Knochenmaterials und somit eine stabile Implantatverankerung. Dementsprechend wurden ST-Implantate (ST-Line) mit einer hohen Porosität von bis zu 70 % entwickelt. Aufgrund der vollständigen Vernetzung der Poren können Osteoblasten hier bis weit in die Tiefe der Poren einwachsen.
Im Bezug auf die mechanische Festigkeit sind ST-Implantate den konventionellen Fusionsimplantaten zumindest ebenbürtig und ihr Elastizitätsmodul kommt dem des natürlichen Knochens näher als das Elastizitätsmodul herkömmlicher Titan-Implantate, sodass dem osseointegrationshemmenden „stress shielding“-Effekt vorgebeugt werden kann. Implantate der ST-Line können gewebeschonend positioniert und gut in Röntgen- oder CT-Aufnahmen dargestellt werden. Klinische Studien belegen zudem, dass poröse Titan-Implantate eine hohe Effektivität und Sicherheit aufweisen.
Schlussfolgerung
Mit der Entwicklung von Implantaten aus strukturiertem Titan greift SIGNUS Medizintechnik die aktuellen Erkenntnisse hinsichtlich der Optimierung der Osseointegration bei endoprothetischen Implantaten auf und setzt diese in der Wirbelsäulenchirurgie um. ST-Implantate besitzen vernetzte Poren mit Diamantgitterstruktur, was ein An- und Einwachsen von Knochen und dadurch eine stabile intervertebrale Fusion ermöglicht.
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