Interview zur MDR mit SIGNUS Leiter Qualität

Seit dem 26. Mai 2021 ist in der EU die Europäische Medical Device Regulation - kurz MDR - in Kraft getreten. Was das für Sie und für uns bedeutet? Wir beleuchten es gemeinsam mit unserem Leiter Qualität Holger Noß in einem persönlichen Interview.

Hallo Holger!

Seit Mai 2021 ist die neue MDR in Europa in Kraft getreten. Kannst du uns erklären was das für die Medizinprodukteindustrie in Europa bedeutet?

Die MDR ist eine neue europäische Verordnung, die den Umgang und die Zulassung für Medizinprodukte regelt. Da sie eine europäische Verordnung ist, tritt sie nach der Veröffentlichung im Jahr 2017 unmittelbar in Kraft und muss nicht in Länderrecht – also bei uns deutsches Recht - umgesetzt werden.

Die Verordnung löst die europäische Richtlinie 93/42 EWG ab.

Nach einer Übergangsfrist müssen alle Medizinprodukte nach dieser neuen Verordnung zugelassen werden.

Das bedeutet demnach, dass die MDR gar nicht neu ist, sondern schon seit 2017 rechtlich bindend ist?

Richtig. Da die Änderungen durch die MDR so groß und tiefgreifend sind, wurde eine 3 jährige Übergangsfrist festgelegt. Durch die Coronapandemie wurde diese wiederum um ein Jahr verlängert.

Warum gibt es dann so viele Diskussionen rund um diese MDR, wenn in Summe doch 4 Jahre zur Verfügung standen, sich auf die Gesetzesänderung einzustellen?

Die MDR stellt die Produktzulassung und die notwendige Dokumentation auf eine neue Basis.

Alle Erfahrungen, die bis dato gesammelt wurden, können nicht übernommen werden.

Das gilt nicht nur für Medizinproduktehersteller, sondern auch für die Benannten Stellen und Händler.

Und was macht dann die Umstellung so kompliziert, dass 4 Jahre nicht ausreichen?

Hier muss ich ausholen und konzentriere mich auf SIGNUS.

Eine neue Risikoklasse Ir für wiederverwendbare chirurgische Instrumente wurde eingeführt: durch veränderte Klassifizierungsregeln fallen einige Instrumente durch das Raster und werden von einem Klasse I Produkt zu einem Klasse IIa Produkt. Dementsprechend ist eine größere Beteiligung einer Benannten Stelle erforderlich.

Der Umfang der klinischen Bewertung hat sich massiv erhöht und muss auch für Bestandsprodukte, die teilweise seit Jahrzehnten auf dem Markt sind, durchgeführt werden.

Im Allgemeinen kann gesagt werden, dass sich der Umfang der Dokumentation mehr als verdoppelt und der jeweilige Detaillierungsgrad sich ebenfalls um ein Vielfältiges vergrößert hat.

Die Änderungen hören sich zwar komplex an, sollten aber doch relativ einfach umzusetzen sein – denken sich sicher Einige?

Leider nicht. Ein kleines Beispiel hierfür sind die Benannten Stellen.

Alle Benannten Stellen müssen einen neuen Antrag zur Akkreditierung stellen und verschärfte Bedingungen erfüllen, um ihre Tätigkeit der Prüfung und Vergabe des CE-Zeichens weiter nachkommen zu können.

Das hat zur Folge, dass es aktuell nur noch 23 akkreditierte Stellen für die Zulassung in Europa gibt. Vorher waren es über 50 Benannte Stellen und vor 10-15 Jahren sogar noch über 80.

Die Benannten Stellen mussten sich mit mehr Personal verstärken, um die spezifischen Anforderungen an die Prüfung erfüllen zu können. Leider werden die gleichen Spezialisten in der Industrie und bei den staatlichen Aufsichtsbehörden ebenfalls benötigt.

Folge: Es verteilen sich die gleiche Anzahl an Medizinproduktehersteller nicht mehr auf 80 sondern auf 23 Benannte Stellen was offensichtlich herkömmliche Prozesse verzögert, wie bspw. Prüfzeiten etc.

Hast du noch ein Beispiel, das zeigt wie komplex das Thema ist?

Ja, zum Beispiel die direkte Markierung mittels einem UDI Code (Datamatrix).

Die Umsetzung auf der Verpackung musste bei Implantaten bereits in diesem Jahr erfolgen. In circa 2 Jahren muss eine Direktmarkierung auf unsterilen Implantaten verliersicher angebracht sein.

Dazu müssen erst die Grundlagen in der Fertigung entwickelt, geprüft und validiert werden. Da die Medizinproduktehersteller einen Nachweis erbringen müssen, wie häufig das Produkt aufbereitet werden kann.

Diese Entwicklungen und Tests sind am laufen.

Das sind doch sicher technische Probleme, die im Rahmen einer Produktentwicklung bearbeitet werden können.

Stimmt, aber leider endet die Übergangsfrist von zugelassenen Medizinprodukten im Jahr 2024.

Das heißt bis dahin muss die Entwicklung abgeschlossen, die Nachweise erbracht und von einer Benannten Stelle geprüft worden sein.

Das Problem hierbei ist, dass ein technischer Standard, die sogenannten harmonisierten Normen, die als Basis für ein Bewertungsverfahren (CE-Zulassung) dienen, erst im Jahre 2024 zur Verfügung stehen. Somit sind Unternehmen gezwungen in Vorleistung zu gehen mit der Gefahr, dass die Benannte Stelle das Produkt nicht zertifiziert oder durch Änderungen in der Norm Änderungen vorgenommen werden müssen.

Zusätzlich müssen die dazugehörigen Daten elektronisch in die europäische Datenbank EUDAMED, hochgeladen werden, damit die volle Transparenz für die Öffentlichkeit und den Überwachungsbehörden gewährleistet wird.

Leider erfolgt die Fertigstellung von EUDAMED erst bis in das Jahr 2023. Somit sind auch hier noch einige Fragen offen, wie zum Beispiel sollen alle Medizinprodukte, die in Europa verwendet werden innerhalb eines halben Jahres in EUDAMED gespeichert werden – dies ist zeitlich nicht umsetztbar.

Das heißt, dass die regulatorische Basis für die Umsetzung der MDR gar nicht vorhanden ist?

Ja, es fehlen viele Details, die das Umsetzen der Anforderungen der MDR erschweren. Es fehlen praktische Hilfen zur Umsetzung.

Aber es gibt doch die Guidance Dokumente MDCG die gerade entwickelt und bereitgestellt werden.

Genau, diese werden gerade entwickelt. Was zur Folge hat, dass in Deutschland die ZLG (Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten) bereits erklärt hat, die Guidance Dokumente für Deutschland verpflichtend anzuwenden.

Das wiederum bedeutet: wenn ein Hersteller einen Antrag auf Konformitätserklärung stellt und parallel zur Einreichung ein neues Guidance Dokument veröffentlicht wird, ist die Benannte Stelle verpflichtet diese anzuwenden, was zu Abweichungen führen kann, die der Hersteller in eine zweite Runde zwingt. Dadurch wird der Prozess der Zulassung verlängert und kostet das Unternehmen viel mehr Geld.

Wie stellt sich SIGNUS diesen Themen?

Wir arbeiten intensiv daran die Produktakten auf das Niveau der MDR anzuheben und haben bereits die erste Akte eingereicht. Das QM System wurde bereits im Januar 2021 auf Basis der neuen MDR erfolgreich auditiert. Ohne das QM Audit gibt es kein Produktzertifikat und umgekehrt – dieser wichtige Meilenstein ist also erreicht.

Trotz aller Herausforderungen und Stolpersteine sind wir bei SIGNUS positiv eingestellt, dass wir gemeinsam auch die MDR meistern werden.

Vorige NewsDRG-Abrechnung 2024
Nächste NewsSIGNUS trifft auf eCential Robotics